Frauenrechtliche Hausaufgaben: Der UN-Frauenausschuss empfiehlt

Feministischer Zwischenruf

Am 3. März hat der zuständige CEDAW-Ausschuss seine "Concluding Observations"  zum Stand der Umsetzung der Gleichstellung vorgelegt. Ein Ergebnis: In Deutschland fehlt es immer noch an einer konsistenten und zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik.

Foto einer Person, die auf ihren Bauch Slipeinlagen geklebt hat. Auf den Slipeinlagen ist mit Hand geschrieben: "Kinder oder keine. Entscheide ich alleine."
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Der Ausschuss empfiehlt: die Abschaffung der Pflichtberatung und der dreitägigen Wartefrist vor der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs

Am 3. März hat der zuständige CEDAW-Ausschuss seine "Concluding Observations"  zum Stand der Umsetzung der Gleichstellung in Deutschland vorgelegt. Bisher gibt es das Dokument nur in englischer Sprache. Aber eine Lektüre lohnt sich. Sie legt den Finger in die Wunde: In Deutschland fehlt es immer noch an einer konsistenten und zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik. Ein Grundproblem ist die Abwesenheit entsprechender Verfahren und Strukturen.

Neben vielen weiteren Problembeschreibungen und Empfehlungen, dürfte das Kapitel zu reproduktiver Gesundheit und Rechten besonders unbequem sein. Empfehlung hier: die Abschaffung des Beratungsmodells vor dem Schwangerschaftsabbruch.

Prof. Dr. Maria Wersig ist Juristin und Politikwissenschaftlerin. Sie unterrichtet Sozialrecht an der Fachhochschule Dortmund und forscht und publiziert zu sozial- und geschlechterpolitischen Themen und den Schnittstellen von Sozial- und Familienrecht. Sie ist Mitglied des Bundesvorstands des Deutschen Juristinnenbundes.

 

Empfehlungen für strukturelle Gleichstellungspolitik

Strukturelle Gleichstellungspolitik ist in Deutschland in Teilen mangelhaft bzw. nicht vorhanden. Besorgnis äußerte der Ausschuss unter anderem darüber:

  • Das Fehlen einer nationalen Gleichstellungsstrategie mit einem Aktionsplan, der die strukturellen Ursachen der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bekämpft.
  • Der Verzicht auf Gender Budgeting auf Bundesebene, obwohl einige Bundesländer bereits Erfolge eines solchen Ansatzes vermelden konnten.
  • Die eingeschränkten Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die weder selbst in Diskriminierungsfällen klagen, noch solche Klagen vor Gericht unterstützen kann und keine eigenen Ermittlungs- oder Sanktionsbefugnisse hat.

Diese Empfehlungen sind nicht neu. Alle Jahre wieder wird eine umfassende Gender Mainstreaming-Strategie und eine gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung bei allen Vorhaben auf der Bundesebene empfohlen.

Empfehlungen in dieselbe Richtung finden sich auch im lesenswerten Sachverständigengutachten zum 2. Gleichstellungsbericht  der Bundesregierung, das ebenfalls Anfang März veröffentlicht wurde (S. 175-177).
Immer wieder zeigt sich in Gesetzesvorhaben, dass der Blick für die Auswirkungen des Vorhabens auf Frauen und Gleichstellung fehlt (aktuell vgl. die Stellungnahme  des Deutschen Juristinnenbundes e.V. zum Betriebsrentenstärkungsgesetz, das gerade im Bundestag beraten wird und trotz des enormen Gender Pension Gap nahezu völlig ohne den Blick auf die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen auskommt).

Reproduktive Gesundheit und Rechte

Einkommen oder Sozialleistungen und der Lebensort entscheiden ob und wie Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln haben (S. 12-13). Der Ausschuss fordert die Sicherstellung dieses Zugangs (auch in Bezug auf die Kosten). Auch die Gesundheitsversorgung von Migrantinnen ohne Aufenthaltsstatus findet Erwähnung, die ohne Angst vor Abschiebungen ermöglicht werden soll.

Auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch findet der Ausschuss deutliche Worte. Empfohlen wird die Abschaffung der Pflichtberatung und der dreitägigen Wartefrist vor der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs. Zudem sollten die Kosten durch die Krankenversicherung übernommen werden. Bisher müssen die Betroffenen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs nach dem Beratungsmodell selbst tragen, nur bei Bedürftigkeit werden die Kosten übernommen. Krankenversicherungen tragen nur die Kosten inzidierter Schwangerschaftsabbrüche.

Das Zitat im Orginal (S. 13):

„(b) Ensure access to safe abortion without subjecting women to mandatory counselling and a 3 day waiting period which WHO has declared to be medically unnecessary, and ensure that such procedures are reimbursed through health insurance.“

Zugang zu Verhütungsmitteln und zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen sind ein Menschenrecht. (Lesenswert dazu: Ulrike Lembke auf dem Grund- und Menschenrechtsblog.) Dieses Verständnis des Ausschusses wird hoffentlich auch die Debatte in Deutschland beflügeln. Sie kann jedenfalls Akteur*innen im Bereich der reproduktiven Rechte in ihrer Argumentation stärken.

Wir haben die Wahl

Der nächste Staatenbericht für Deutschland zum Stand der Umsetzung von CEDAW steht im Jahr 2021 an. Was darin stehen wird, hängt nicht zuletzt von den Ergebnissen der Wahlen im Jahr 2017 ab. Gerade in Zeiten des Erstarkens rechtspopulistischer Strömungen und Parteien, lohnt sich der Blick aller Wahlberechtigten auch auf die Aussagen der Parteien zu Frauenrechten und Gleichstellung.